Farbe ist nicht wissbar

Farbe ist eine Sinnesempfindung. Der Architektur-Farbgestalter gestaltet die Empfindungen der Raumnutzer, wahlweise im Innen- oder Außenraum. Mit Empfindung kann man sich nur empfindend auseinandersetzen. Es gibt kein „Farbwissen“. Farbe ist nicht wissbar. Auch der Aufbau des NCS-Systems ist kein Farbwissen, sondern angewandte Empfindung. Alles Erklären, wie NCS aufgebaut ist, ist ein Sprechen über Empfindungen.
Parallel zur „Empfindungsarbeit“ klärt der Gestalter die Frage: Welches Bedürfnis / welchen Bedarf soll die Gestaltung befriedigen? Das ist ein intellektuelles Problem (bei oberflächlicher Betrachtung), eine moralisches Problem (bei ehrlichem Interesse an der Fragestellung seines Kunden).

Die geringe Wertschätzung, mit der sich die Tätigkeit des Farbgestalters manchmal auseinander zu setzen hat, leitet sich zum einen daraus ab, dass über die Ziele, die mit Farbgestaltung verfolgt werden, nur undifferenziert und oberflächlich nachgedacht wird.  Zum anderen ist die Sensibilität gegenüber den gewaltigen Möglichkeiten des Mediums Farbe nur ansatzweise entwickelt, sowohl beim Auftraggeber als auch beim Gestalter. Mit anderen Worten: Die Fähigkeit Farben zu empfinden (das heißt: die Wechselwirkung von Farbtönen, Proportionen, Materialien usw. im Empfinden abzubilden)  ist oft nicht in der Weise ausgebildet, wie es die Bewältigung komplexer Architekturprojekte und Raumsituationen verlangt.