Farbe ist nicht wissbar

Farbe ist eine Sinnesempfindung. Der Architektur-Farbgestalter gestaltet die Empfindungen der Raumnutzer, wahlweise im Innen- oder Außenraum. Mit Empfindung kann man sich nur empfindend auseinandersetzen. Es gibt kein „Farbwissen“. Farbe ist nicht wissbar. Auch der Aufbau des NCS-Systems ist kein Farbwissen, sondern angewandte Empfindung. Alles Erklären, wie NCS aufgebaut ist, ist ein Sprechen über Empfindungen.
Parallel zur „Empfindungsarbeit“ klärt der Gestalter die Frage: Welches Bedürfnis / welchen Bedarf soll die Gestaltung befriedigen? Das ist ein intellektuelles Problem (bei oberflächlicher Betrachtung), eine moralisches Problem (bei ehrlichem Interesse an der Fragestellung seines Kunden).

Die geringe Wertschätzung, mit der sich die Tätigkeit des Farbgestalters manchmal auseinander zu setzen hat, leitet sich zum einen daraus ab, dass über die Ziele, die mit Farbgestaltung verfolgt werden, nur undifferenziert und oberflächlich nachgedacht wird.  Zum anderen ist die Sensibilität gegenüber den gewaltigen Möglichkeiten des Mediums Farbe nur ansatzweise entwickelt, sowohl beim Auftraggeber als auch beim Gestalter. Mit anderen Worten: Die Fähigkeit Farben zu empfinden (das heißt: die Wechselwirkung von Farbtönen, Proportionen, Materialien usw. im Empfinden abzubilden)  ist oft nicht in der Weise ausgebildet, wie es die Bewältigung komplexer Architekturprojekte und Raumsituationen verlangt.

Die Sonne scheinen lassen: Farbgestaltung für trübe Tage

03_Erker Es ist so eine Sache mit „Regeln der Farbgestaltung“, wenn jeder meint, seine ungebremste Kreativität ausleben zu müssen. In Goethes Gedicht „Natur und Kunst“ finden sich die Zeilen:

„... So ist's mit aller Bildung auch beschaffen: Vergebens werden ungebundene Geister nach der Vollendung reiner Höhe streben. Wer Großes will, muss sich zusammenraffen; in der Beschränkung zeigt sich erst der Meister, und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.“

Beispiele aus dem Alltag der Farbgestaltung können klarmachen, wie sinnvoll es ist, sich an Regeln zu halten, die es unbestreitbar gibt. Und dass die Kreativität um so stärker herausgefordert wird, je klarer die Rahmenbedingungen für eine Gestaltung definiert sind! Ein paar sonnige Beispiele auf benad.com.

Farbig statt bunt

Worin sich „bunt“ und „farbig“ unterscheiden?

farbig-statt-bunt

Ersteres ist ungeordnet, beziehungslos, laut und wird nicht als gestaltete Mitteilung erlebt. Letzteres ist klang- und gestalthaft, zeichnet sich durch seinen Beziehungsreichtum und eine stimmungsvolle Mitteilsamkeit aus. Wie sich beides in der Gestaltung von Architektur verwirklicht, zeigt der Beitrag „Farbig statt bunt“ auf benad.com.

„Organische Farbigkeit“ – Neue alte Wege in der Farbgestaltung

Garnier Seit über 4 Jahrzehnten arbeitet Friedrich Ernst v.Garnier als Farbgestalter. Er ist einer der großen Pioniere auf dem Gebiet der Architektur-Farbgestaltung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Von Garnier prägte den Begriff der „Organischen Farbigkeit“, der nichts mit „Naturfarben“ oder „organischen Formen“ zu tun hat, sondern sich auf die Wirkung bezieht, den ein farbgestaltetes Gebäude, ein Gebäudeensemble oder ganzes Stadtbild auf den Betrachter hat. Wenn es in seiner Farb-Atmosphäre einen konkreten Bezug zur baulichen oder naturnahen Umgebung herstellt, auf den Betrachter „vertraut“ wirkt und ihn in seiner natürlichen Lebendigkeit stärken kann, mag die Gestaltung „organisch“ genannt werden. Mehr dazu unter: Organische Farbigkeit.

Architektur und Atmosphäre

Was ist Atmosphäre?

Der Philosoph Gernot Böhme bezeichnet Atmosphäre als „gestimmten Raum“. (Gernot Böhme: Architektur und Atmosphäre, München: Fink 2006). Der Charakter einer Atmosphäre kann, so Böhme, auf verschiedene Arten beschrieben werden. Zum Beispiel
1. als Stimmung (heiter, fröhlich, festlich, erhaben, trübe, melancholisch…)
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Green

GREEN

“Green is life,” people often say. This statement is somewhat superficial and contains only a grain of truth:green
When you look at green leaves, you are not looking at life itself but at the results of life processes. Seeing green leaves you draw the conclusion through your past experience that the plant is alive. Green is a pattern, a symbol of vegetable life. Life is designed in green. Life is wearing a green dress.
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Farb–Klang–Spiel: die schwebende Farbigkeit des Museum Brandhorst

Vieles ist in den letzten Wochen über das neue Museum Brandhorst in München geschrieben worden, an dessen Fassade 36.000 farbig glasierte Keramikstäbe angebracht sind. Aber was ist vom Gesichtspunkt der Farbgestaltung das wirklich Besondere?

Museum Brandhorst (01)

Der neue Museumsbau des Architekturbüros Sauerbruch-Hutton im Münchner Kunst-Areal in der Max-Vorstadt beherbergt die Kunstsammlung der Eheleute Brandhorst, die sie 1999 dem Freistaat Bayern schenkten. Auf einem schmalen, langen Grundstück entstand der rund 100 m lange Museumsbau, dessen Langbau 17, dessen Kopfbau 23 Meter in die Höhe ragt. Mit einer äußerlich wenig spektakulären Gebäudeform, die ein gewaltiges Volumen auf einem verhältnismäßig sehr kleinen, lang gezogenen Grundstück beherbergt, macht der Bau einen funktionalen Eindruck und löst die Aufgabe, Präsentationsort einer bedeutenden zeitgenössischen Kunstsammlung zu sein ohne architektonisch selbstdarstellerische Allüren. Trotzdem kann auch der Bau selbst, vor allem durch seine Farbigkeit, als künstlerisches Unikat erlebt werden.

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Aphorismus zur Farbpsychologie

Jede Farbenlehre, mit Ausnahme der Goetheschen, löst Farben aus ihrem Zusammenhang und untersucht Teilaspekte, die in ihrer Reduktion notwendigerweise abstrakt sind. Doch immer ist es der gesamte Zusammenhang, in dem Farbe gesehen und begriffen werden muss, wenn man den Anspruch erhebt, eine Lehre zu entwickeln. Dass der Begriff Farbpsychologie überhaupt existiert, ist ein Ausdruck dieser Abstraktion. Als ob die Art und Weise, wie sichFarben im menschlichen Erleben darbieten, nicht Teil der allgemeinen Farbenlehre sei.

Farbenlehre für Gestalter

Farbe – das große Rätsel

Eigentlich ist ja bekannt, was Farbe ist und wie man sie anwendet. Immerhin gibt es dicke Bücher über Farben: wie sie entstehen, wie der Mensch sie sieht, welche Rolle man den elektromagnetischen Wellen zuschreibt, dem menschlichen Sehapparat, dem Gehirn. Welche Farbstoffe es gibt, wie man daraus Anstrichstoffe herstellt, wie man Farben misst, mischt, ordnet, und so weiter. Dieses Wissen ist publiziert und vieles davon auch im Internet jedermann zugänglich. Soll es hier wiedergekäut werden?  – Nein, ganz bestimmt nicht.

Wie wir die Welt erleben (himmelsblau) und was wir uns vorstellen, das sie sei  (elektromagnetische Wellen), steht im Widerspruch.

Wie wir die Welt erleben (himmelblau) und was wir uns vorstellen, das sie sei (elektromagnetische Wellen), steht im Widerspruch.

Wir leben wir in einer Wissensgesellschaft, und ein Ideal unserer Bildung scheint zu sein, Wissen zu vermitteln, über Wissen zu verfügen, es kombinieren und strukturieren zu können. Doch wenn Schüler nach der Physik- oder Biologiestunde den Schulraum verlassen und den blauen Himmel über sich sehen, tief durchatmen und ihre Lebenslust spüren, dann mögen sie sich (mit Goethe) sagen: „Grau, treuer Freund, ist alle Theorie,  und grün des Lebens goldner Baum!“ Und sie meinen: „Ich empfinde keine Verbindung zwischen dem Wissen und mir selbst; das Wissen betrifft mich nicht. Bücherwissen kann ich immer dann hervorholen und anwenden, wenn ich ein technisches Problem zu lösen habe. Es ist aber nicht Wissen, das mit meinem Leben und Erleben zu tun hat.“ Und gerade diejenigen die auch noch kreative Aufgaben gestalterisch zu lösen haben, stehen mit Schulwissen ziemlich hilflos da – wie folgendes Beispiel zeigt.

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